Trapp Family Austrian Relief Inc. Stowe, Vermont, USA
Bild zum Andenken: Georg Freiherrn von Trapp
Es ist schon wieder so viel passiert bei uns, dass es höchste Zeit ist für einen Sammelbrief, sonst kommt wieder so viel zusammen, und dann kann man eigentlich nur noch in Schlagwörtern berichten. Ein Sammelbrief ist zwar noch ausständig, das ist der, welcher über den Tod und das Begräbnis in unserer Familie berichten soll. Wir wollen ihn zusammen mit den Sterbebildern wegschicken, und die sind immer noch nicht von der Druckerei zurückgekommen.
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1947 Sammelbrief- Sommercamp,
Unser Sommer-Camp, indem wir alljährlich vier zehntägige Singwochen abhalten, ist am Fuße unseres Berges, zirka 40 Minuten zu gehen. In früheren Jahren haben Georg und ich uns in die Arbeit geteilt. Er ist auf der Farm geblieben für die Erntearbeiten, ich habe das Camp übernommen. Da das heuer nicht möglich ist, und wir auch keine verlässlichen Arbeiter für die Farm bekommen konnten, haben wir kurzentschlossen die Arbeit auf der Farm eingestellt, das Vieh und alle alten Maschinen verkauft und die baufälligen, löchrigen Scheunen abgebrochen. Wenn wir von der Weltreise zurückkommen werden, wollen wir ganz frisch mit gutem Vieh, neuen Stallungen und modernen Maschinen beginnen. Ich war dann im Laufe des Sommers sehr froh, dass ich mit der Farm nicht beschäftigt war, ich habe alle Hände voll zu tun gehabt mit meinen Patienten.
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1947 Sammelbrief- Krankheiten in der Familie
Acht Jahre lang hat uns der liebe Gott verschont, und zu einer Zeit, wo wir uns Ärzte, Medizinen und Spitalsaufenthalte einfach nicht hätten leisten können, waren wir auch alle gesund. Dafür ist heuer alles auf einmal gekommen. Drei Wochen nach dem Begräbnis ist Rosmarie krank geworden mit einer ganz rätselhaften Krankheit. Ein Spezialist in Boston hat sie, Gott sei Dank, während des Sommers zurechtgedoktert. Kurz nachdem ich Rosmarie nach Boston gebracht hatte, hat mich eines Tages der kleine Johannes um 5 Uhr früh aufgeweckt mit den Worten: „Mutter, mir ist so heiß, ich kann den Kopf nicht rühren und die Beine tun mir so weh.“ Der Fieberthermometer hat über 40 Grad gezeigt und mir ist fast das Herz stehen geblieben vor Angst, dass es Kinderlähmung sein könnte. Wie dankbar und erleichtert war ich, als der Arzt „nur“ Gelenksrheumatismus feststellte. Johannes musste unbedingt stillgehalten werden und war sieben Wochen im Bett. Das Stillhalten eines lebhaften, kleinen Buben ist aber so anstrengend, dass wir nach sieben Wochen selber ganz erschöpft waren. Johannes war beiläufig 10 Tage im Bett, als sich unsere Johanna einer komplizierten Mandeloperation unterziehen musste. Das ist für Sänger immer ein Risiko und Johanna ist unser bester Sopran. Acht ängstliche Tage vergingen. Aber dann stellte sich Gott sei Dank heraus, dass unsere Johanna jetzt besser singt denn je. Johanna war noch im Spital, als Hedwig über heftige Rückenschmerzen klagte. Die erste Untersuchung veranlasste den Arzt, an die Möglichkeit einer Tuberkulose zu denken. Also schnell ins Spital und röntgenisieren. Gott sei Dank war es etwas viel Harmloseres und sie ist wieder ganz hergestellt. Hedwig war noch nicht nach Hause gekommen, als sich das Milein bei einer Arbeit im Garten das Rückgrat verletzte. Also wieder Spital und Röntgenbilder und Behandlungen.
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1947 Sammelbrief- Singwochen
Mittlerweile haben im Camp die Singwochen angefangen. Über all dem Kummer um unseren lieben Toten hatten wir ganz vergessen, die gewissen Annoncen in die Zeitungen zu geben, welche die Leute auf das Camp aufmerksam machen sollten. Als es mir einfiel, war es schon viel zu spät dazu. Aber über all den anderen Sorgen habe ich mich über das nicht aufregen können. „Na, dann ist heuer halt kein Camp,“ hab´ ich mir gedacht, „ist uns eh allen lieber.“ Wir waren dann ganz gerührt, wie trotzdem Leute von allen Seiten geströmt gekommen sind. Johanna hat in der ersten Singwoche für 172 Menschen gekocht. Heuer war der erste Sommer, in dem alle Lebensmittel frei zu haben waren. In den anderen Jahren war es eine furchtbare Plage mit den zugemessenen Rationen von Zucker, Fett, Fleisch etc., die Leute alle satt zu kriegen. Heuer, ganz im Gegenteil, die Agenten zur Küchentüre gekommen, wortreich das Fleisch oder Gemüse i h r e r Firma anpreisend. Und doch haben wir uns darüber gar nicht freuen können. Wie gerne wäre ich wieder landauf und landab herumgegangen, um für viel Geld und gute Worte einen Kübel Schmalz zu hamstern, wie es in den letzten Jahren oft nötig war; wie gerne würden wir alle hungern und frieren und das Nötigste entbehren, wenn wir einen frischen Grabhügel ungeschehen machen könnten (Ich glaube das ist nicht gut ausgedrückt, aber Ihr wisst sicher was ich meine). Armut, Hunger, Durst und Kälte und selbst Krankheit sind halt doch nur vorübergehende Übel, wir haben sie alle kennen gelernt. Die Hoffnung, eine der größten Gaben Gottes, tröstet einen „es wird schon wieder besser werden.“ Aber der Tod, das ist etwas Endgültiges, da heißt es nachher: „Niemals wieder“. Obwohl die äußere Regie des Camps heuer einfacher war als je, obwohl alle Leute ganz besonders nett und mitfühlend waren, war es doch manchmal sehr schwer mit ihnen harmlos lustig zu sein, mit ihnen zu singen und sie die österreichischen Volkstänze zu lehren. In der letzten Singwoche ist unsere Lorli zwischen zwei Autos eingequetscht worden. Dabei wurden zwei Rippen verletzt, und der Erfolg war eine Rippenfellentzündung. Dann war das Camp aus und wir wollten die Einladung von Bekannten annehmen, die uns ihr Haus an der See für den Monat September angeboten hatten. Gerade damals bin ich aber selber krank geworden, und so habe ich die Familie vorausgeschickt, in der Hoffnung, ihnen bald nachfolgen zu können. Mein Zustand hat sich aber verschlechtert, und der Arzt hat eine schwere Nierenentzündung festgestellt. Einige Tage hindurch hat es ganz kritisch ausgeschaut und so kam es, dass ich am 17. September nicht an Ruperts Hochzeit teilnehmen konnte. Ich hatte mich ganz heimlich vor diesem Tag ein wenig gefürchtet, weil das ja das erste Familienfest ohne unseren Vater sein würde. Das macht ja jetzt alles so schwer: die ersten Konzerte ohne ihn, das erste Mal Advent und Weihnachten ohne ihn, mit den vielen Bräuchen, wobei er als Hausvater die Hauptperson war. Dann wird Ostern kommen und die Reise nach Australien und wie werden wir ihn überall vermissen! Man traut sich gar nicht an die Zukunft zu denken. Man schaut, dass man durch den heutigen Tag kommt. Das Herz ist immer so schwer und das Leben wird niemals mehr so harmlos fröhlich und glücklich sein. Ja, harmlos, fröhlich und glücklich waren wir auch zu Zeiten bitterer Not inmitten von Hunger, Kälte und Entbehrung, angesichts einer gänzlich unsicheren Zukunft, denn wir waren ja alle beisammen und einer hat dem anderen helfen können. Wie gerne würde jeder von uns auf Kleider und Essen verzichten, wenn das den Vater zurückbrächte. Wie wenig doch das Geld wert ist, und wie wenig wahres Glück man sich dafür kaufen kann.
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1947 Sammelbrief- Hochzeit Rupert & Henrietta
Und so war auch die erste Hochzeit in unserer Familie ein wenig überschattet von diesem Leid. Natürlich sagen wir uns immer wieder, dass unser Vater jetzt dort ist, wo ihm irdisches Leid nichts mehr anhaben kann, dass er hingegen alle freudigen Ereignisse in unserer Familie mit uns zusammen feiert. Er ist ja nicht von uns weggegangen, sondern ganz im Gegenteil, er ist uns jetzt viel inniger nahe als je zuvor. Aber alle diese Erwägungen, so wahr sie auch sein mögen, können manchmal nicht verhindern, dass sich einem das Herz zusammenkrampft und man ihn in Haus und Hof an allen Ecken und Enden so bitterlich vermisst. Aber zurück zur Hochzeit. Alle haben erzählt wie feierlich und schön es war. In Ruperts neuer Familie sind auch 10 Kinder. Die Familie ist französischer Abstammung. Die Mutter aus Paris und der Vater aus französisch Kanada. Ruperts liebe, kleine Frau heißt Henrietta, ist 20 Jahre alt, bildhübsch, ein sehr lieber Kerl. Man kann dem Rupert wirklich von Herzen gratulieren. Er arbeitet jetzt noch ein Jahr in einem großen Spital in Hartford, Connecticut und gedenkt sich später als Landarzt hier in dieser Gegend niederzulassen.
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✾ 1947 Sammelbrief- Beschreibung Farm & Gegend
Die Kinder waren drei Wochen an der See und haben das Schwimmen und Segeln sehr genossen. Nach ihrer Heimkehr haben sie die großen, zerlemperten Scheunen eingerissen, die sich unser Vorgänger direkt vor das Haus gebaut hatte. Jetzt haben wir die Aussicht auf das Gebirge frei, und immer wieder muss man stehen und staunen, wie schön Gott der Herr die Welt gemacht hat. Es ist ja immer schön auf unserem Berg, aber der Oktober ist einer der herrlichsten Monate. Das ist eine wahre Symphonie von Farben. Die Sugarmaple (Zuckerahorn), ein Baum, den es in Europa nicht gibt, der unsere Berghänge hier bedeckt, kleidet sich im Herbst in solch leuchtendes Gold und ihre Schwester, die Soft Maple, in helles Kirschrot, dazwischen die zartgelben Birken und Buchen, Espen und Ulmen in allen Schattierungen von Gelb und Braun - es ist einfach unbeschreiblich. Ebenso wir ihr in Österreich haben wir schon seit Monaten keinen Regen gehabt und unsere Quelle im Wald ist versiegt, ebenso wie die Quellen auf den zwei großen Weiden. Ich bin aufrichtig dankbar, dass wir jetzt kein Vieh haben. Zirka 500 Fuß unterhalb des Hauses haben wir eine starke Quelle, die auch jetzt noch in einem dicken Strahl aus der Wiese heraussprudelt. Die haben wir jetzt ausgegraben und gefasst und pumpen sie mit einem elektrischen Motor ins Haus. Es wäre so viel zu tun überall, aber man kriegt einfach keine Arbeitskräfte, nicht für Geld noch für gute Worte. Alles läuft in die Stadt, niemand will am Land bleiben. Die alten Farmer verkaufen einer nach dem anderen ihre Berghöfe, ganze Hochtäler sind schon ausgestorben. Wohin das führen soll, wenn das so weitergeht? Wir hoffen sehr, dass es in Österreich noch junge Burschen gibt, die gerne am Lande sind, und die wir zu uns herüberholen können, sobald die Einreise möglich sein wird. Mitte November beginnt die nächste Konzertreise, die wir heuer meiner Krankheit wegen um vier Wochen verschoben haben. Damit beginnt wieder das Sammeln und Betteln für Österreich. Die Vorräte an Kleidern, das Ergebnis der letzten Konzertreise und der hunderttausend Bettelbriefe, die wir ausgeschickt hatten, haben gut über den Sommer ausgehalten. Mit der Hilfe unserer Camp-Gäste haben wir circa 30,000 Pfund Kleider und Lebensmittel nach Österreich geschickt. An den kommenden, furchtbaren Winter denkend, werden wir noch mehr wie voriges Jahr unsere Kräfte und unseren ganzen Einfluss einsetzen, um zu helfen. In einem anderen Brief werden wir eine genaue Schilderung unserer Hilfsorganisation geben. Wie das Senfkörnlein im Evangelium hat sie sich zu einem Baum ausgewachsen. Die Vöglein des Himmels, die sich in seinem Schatten ausruhen, sind ein paar tausend österreichische Familien. Und jetzt müssen wir uns wieder verabschieden. Am Schluss wollen wir Euch versichern, dass wir täglich in unserer Kapelle, morgens und abends, unserer Freunde und deren Nöten und Anliegen gedenken. Vielleicht ist es doch ein kleiner Trost für Euch zu wissen, dass in der Neuen Welt immer ein warmes Herz und ein offenes Ohr bereit sind. Viele liebe und herzliche Grüsse, vom ganzen Haus Trapp Handschriftlicher Zusatz: Liebe Marianne, Die Mutter hat so schrecklich viel zu schreiben, dass Sie mich gebeten hat, Ihnen für Ihren lieben Brief zu danken. Können Sie sich noch an mich erinnern? Dieser Erzählbrief schildert Ihnen unser Leben hier besser als ich es könnte und Mutter schickt viele liebe Grüße mit. Jetzt kommt Weihnachten bald so wünsche ich Ihnen liebe Marianne von herzen viel Segen und auch fürs Neue Jahr. Eine Überraschung ist unterwegs. Beten Sie dass alles gut ankommt. Hat Rosmarie jemals von einem Mädchen mit Namen ... Gardener... ein Paket bekommen? Es hat sich einmal dieses Mädchen nach einem Konzert eine Adresse gewünscht um etwas zu schicken, so gab ich ihr Rosmaries Adresse. Nochmals alles Liebe Martina
Johanna von Trapp